Original
2009-09-00 Deutschland (156)
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Guitar Duo Klemke

Gitarre & Laute

Musique Extraordinaire

1: Samuel T. Klemke spielt Bach, Sor,
Henze, Aufgenommen im Juli 2003, ©
2006
2: Laura U. Klemke spielt Paganini, Bach,
Ponce und Searl, Aufgenommen im Juni
2004, © 2006
3: Guitar Duo Klemke spielt de Falla,
Tárrega, Sor, Granados, Boccherini,
Chapi y Lorente, Rodrigo, Pujol, Aufgenommen
im August 2004, © 2005
SINGLE 1: Samuel Klemke spielt Koyunbaba,
© 2007
SINGLE 2: Laura Klemke spielt ein Preludio
von Adam Falckenhagen, © 2008
Bezugsquelle für alle CDs:
www.klemke.de
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Laura und Samuel Klemke sind Geschwister. Samuel wurde 1978 in Herdecke, seine Schwester 1981 in Warendorf geboren. Mit vier Jahren konnten sie Noten lesen, danach begann der systematische Gitarrenunterricht durch ihren Vater. Seit 1999 (Samuel) bzw. 2000 (Laura) studieren beide in Weimar bei Monika Rost. Die ersten Wettbewerbe, die die beiden gewonnen haben, waren die von „Jugend musiziert“ einige andere, auch internationale, folgten. Die CD’s sind Eigenproduktionen … professionell gemacht und professionell aussehend!

Samuel Klemke spielt (Vol. 1) Bachs Suite BWV 997, dann Sors op. 7 und Henzes Winter-Music 1. Mein erster Eindruck: Anspruchsvoll für ein Debüt, aber die Geschwister sind so lange im Geschäft, dass man von einem Debüt eigentlich kaum reden kann. Und sein Spiel ist auch nicht das eines Debütanten. Kontrolliert, sich selbst zurücknehmend, tonlich ausgewogen und technisch ohne hörbare Probleme.

Monika Rost, seine Professorin für Gitarre in Weimar, liefert eine Art Geleitwort zur CD mit: „Als Samuel 1999 zum Studium nach Weimar kam, war er bestens ausgestattet […] Die erste Aufgabe, die sich ihm hartnäckig in den Weg stellte, war die Formung eines schönen, vollen, tragfähigen Tons — für den Gitarristen das Fundamentalste überhaupt.“ Nun, dieses Problem hat er bewältigt … ist er jetzt fertig? Mir bewegt sich die Sor-Fantaisie zum Beispiel zu sehr zwischen mf und mp, da fehlen mir Ebenen, was Volumen und auch stilistische Differenzierungen angeht … aber was erwarte ich eigentlich?

Ich höre hier CD’s von zwei Musikern, die, als sie die Aufnahmen machten, gerade Anfang zwanzig waren (Samuel 25 und Laura 23). Seit sie vier waren, hatten sie vermutlich nichts anderes getan, als Musik zu machen und zu üben. Mit sieben hatte Samuel seinen ersten kompletten Soloabend gegeben: Giuliani, Sor, Paganini. Dann kleinere und später internationale Wettbewerbe und Meisterkurse. Und dann „Royal Winter Music“? Erwarte ich eine ausgewogene und fundierte eigene Meinung zu dieser Musik? Eine Stellungnahme, die dann auch noch dezidiert präsentiert wird? Unterstrichen und mit Ausrufezeichen? Habe ich es hier mit musikalisch frühreifen Wunderkindern zu tun … oder vielleicht mit solchen, die die Karriere machen, die ihre Eltern ihnen vorgezeichnet haben? Aber die Trainerin der beiden Musiker ist nicht Jutta Müller, es ist Monika Rost!

Jetzt sind alle Examina gemacht, alle Stipendien ausgeschöpft. Jetzt gilt es, den berühmten Schritt ins Leben zu tun, jetzt besuchen die Klemkes keine Meisterkurse mehr – jetzt geben sie welche.

Zurück zu „Musique Extraordinaire 1“, der Solo-CD von Samuel: Bach, Sor, Henze. Die Fuge aus BWV 997 ist mit ihren knapp acht Minuten Dauer ein Prüfstein … im ursprünglichen Sinn des Wortes ein Stein, mit Hilfe dessen man den Feingehalt einer Goldlegierung ermittelt. Ist der Interpret in der Lage, das Stück so zu spielen, dass seine Zuhörer es verstehen und dass sie ihm über diese verhältnismäßig lange Zeit folgen? Er ist es … und doch könnte ich mir einen konsequenteren Umgang mit Phrasierungsmustern vorstellen, die dem Zuhörer schließlich eine Art formaler Analyse des Stücks vorschlagen. Ein Werkzeug aus dieser Kiste ist auch der gezielte Einsatz agogischer Mittel – allerdings bedarf deren Einsatz einer abgeklärten Gelassenheit, die Samuel Klemke nicht vorweisen kann. Sie, die innere Ruhe und beispielsweise das manchmal regelrecht irritierende minimale Herauszögern von Auflösungen können einem Stück eine enorme innere Dynamik geben und sie fehlen mir gerade in Klemkes Interpretation der Sor-Fantasie. Hier, ich muss es gestehen, höre ich hier und dort Banalitäten, die auf der CD leider voll zur Geltung kommen und gelegentlich sogar unterstrichen werden. Und dann Henze: Die große Geste ist es, die schon in „Gloucester“ erwartet wird, das laute und deutliche Aussprechen der eigenen Meinung. Und das traut sich Samuel Klemke! Der im Vergleich dazu introvertierte Satz „Romeo and Juliet“ könnte für mich noch etwas zarter sein, noch zurückhaltender philosophierend.

Laura Klemke spielt ein auf den ersten Blick risikoärmeres Programm. Die einleitende Paganini- Sonate ertappe ich auch wieder einmal mit unverhohlenen Banalitäten, die jetzt aber nichts mit Lauras Spiel zu tun haben. Hier ist es das Stück, dem die junge Interpretin kein Leben einhauchen kann, weil es streckenweise banal ist.

Dann Bachs Suite BWV 996. Das einleitende nicht mensurierte Passaggio fordert und erlaubt die Freiheit, die ich beim Spiel ihres Bruders vermisst habe … und auch hier vermisse ich das Auskosten dieser Freiheit. Das strenge fugierte Presto danach, das einen schroffen Gegensatz bildet, gelingt ihr dafür sehr überzeugend.

Die „Sonata Mexicana“ von Ponce schließt sich an und schließlich „Five“ von Humphrey Searle. Das letzte Stück hat mich am wenigsten überzeugt.

Und dann die Duo-CD: Alles, was ich mir für die CD's gewünscht habe, scheint hier – wie von Geisterhand geleitet – in Erfüllung gegangen zu sein. Klemke & Klemke spielen das Standard-Programm von de Falla bis Pujol, von Albéniz bis Rodrigo und sie tun das sehr überzeugend. Von ihrer ängstlichen Zurückhaltung ist Nichts mehr zu hören -- hier spielen sie frei und kreativ.

Vielleicht war es ja doch nicht Geisterhand, die diese Veränderung bewirkt hat, sondern die von Thomas Müller-Pering, bei dem die Geschwister nach ihren ersten Examina in Weimar ein Aufbaustudium absolviert haben?

Die Duo-Platte vermittelt noch etwas, was bei den Soloplatten nur schwer zu entdecken war: Spaß am Spiel und Spaß an der Musik. Vielleicht sind das Gefühlslagen, die sich nur oder hauptsächlich bei Kammermusik einstellen, aber sie stecken an und springen auf den Zuhörer über.

Und dann sind da noch zwei CD’s Samuel spielt Koyunbaba und wieder spürt man einen enormen Fortschritt im Vergleich zu der eben besprochenen CD. Gut, die Klangwelt, die „Koyunbaba“ entfaltet, ist eine besondere, aber sie wird hauptsächlich durch die offene Stimmung erreicht. Und doch ist es so, dass man eine andere musikalische Dimension betritt: rund, voluminös, weit; kreativ, mitunter regelrecht lasziv, selbstbewusst, überzeugend.

Das Gleiche gilt für die CD von Schwester Laura. Sie spielt Falckenhagen durch alle Tonarten … und zwar mit atemberaubender Grandezza und Überzeugungskraft.

Die CD’s, die ich hier erwähnen und beschreiben durfte, sie bezeugen einen Abschnitt im Leben zweier immer noch sehr junger Musiker … wir erleben die ersten Aufnahmen zweier Solisten und ihres gemeinsamen Duos und dann noch einmal zwei Soloaufnahmen, die einige Jahre später entstanden sind. Dazwischen lagen vier, fünf Jahre Studium in Weimar! Die CD’s belegen also nicht nur einen riesigen Schritt in der künstlerischen Entwicklung der beiden Interpreten, sie belegen auch die Qualität der Ausbildung an der Hochschule Franz Liszt in Weimar!